Der Anfang, die Geburt

Wie sah um 1920 das Dorf Bärstadt aus, in das ein neuer Mitbürger geboren wurde? Bärstadt besaß um 1920 ca. 120 Haushalte mit 500 Bürgern. Das kleine Ort bekam gerade seinen Stromanschluss und war noch bäuerlich geprägt wie viele der umliegenden Taunusdörfer. Die Dorfstraße war noch unbefestigt und bildete den Lebensmittelpunkt des Ortes. Die kleinen verputzten Fachwerkhäuser waren damals überwiegend der Geburtsort der Neubürger.

In Bärstadt gab es keinen Arzt oder Hebamme. Bei zu erwartenden Komplikationen musste ggf. das Krankenhaus aufgesucht werden. Die Mehrzahl der Bärstadter erblickten damals aber das Licht der Welt mit Hilfe einer Hebamme. Diese musste, wenn eine Geburt kurz bevor stand, aus Hausen geholt werden. Ihr Name war Elisabeth Schäfer, genannte Amme-Liese, eine kräftige und resolute Frau, geboren 1889.

Das Bild links zeigt sie 1967 mit ihrer Enkelin Alexandra Roth

          

Überliefert ist die Geburt von Karl und Emil Fischer. Karl Fischer wurde am 30. März 1924 als Sohn von Marie und Fritz Fischer geboren. Als die Wehen einsetzten und die Niederkunft bevor stand, wurde Friedrich (Fritz) Fischer nach Hausen geschickt um die Hebamme zu holen. Wegen des Schnees musste der Pferdeschlitten angespannt werden und mit zügiger Fahrt ging es nach Hausen. Dort angekommen wurde die Hebamme aufgesucht, die ihren Koffer packte und mit den Pferdewagen nach Bärstadt gebracht wurde (oftmals musste auch der Weg zu Fuß angetreten werden). Die beiden trafen rechtzeitig zur Entbindung ein.

Die Geburt des zweiten Kindes der Eheleute Fischer stand im Oktober 1929 an. Die Niederkunft stand bevor, auch diesmal wurde Fritz Fischer mit dem Pferdefuhrwerk nach Hausen zur Amme-Liese geschickt. Dort angekommen war die Amme-Liese gerade mit dem backen des Hefekuchens beschäftigt! Es war Samstag, Hausen und Bärstadt feierten damals noch zeitgleich Kerb. Eine Nachbarin musste gefunden werden die dann das weitere Backen übernahm. Als beide in Bärstadt angekommen waren, herrschte alle Ruhe im Haus, darauf beruhigte die Amme-Liese Fritz Fischer und sprach: Ei siehste Fritz , mer hätte uns gaa  nit so beeile brauche. Tatsächlich lag aber der neugeborene Sohn Emil bereits im Korb! In Bärstadt erblickte somit der kleine Emil als richtiges Kerbekind das Licht der Welt.

Die Eheleute Elisabeth und Johann Presber erwarteten die Geburt ihrer Tochter Elli (Lang) im Oktober 1920. Die Wehen setzten in der Nacht ein und der Petter von Elli Lang wurde nach Hausen geschickt um die Hebamme zu holen. In dieser Nacht war in Hausen Kerb und die Hebamme hatte gerade ein paar Stunden geschlafen als der Bärstadter eintraf. Nachdem sie auf den Wagen gestiegen war fuhr der Petter so stark an, dass sie von dem Sitz in den Wagenkasten fiel! Dies muss einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. In Bärstadt eingetroffen empfing die Hebamme die Gebärende mit folgenden Worten: „Du Gewirre Mensch, ich hun die ganz Nacht gedanzt, korn ohrne Danz verfehlt und jetzt kimste de un hilst mich“...

 

Gewöhnlich wurden die Schwangeren auch vor der Geburt eines Kindes und danach noch 14 Tage von der Hebamme betreut. In schweren Fällen wurde aus Schlangenbad Dr. Hannappel, Dr. Fromme (erst ab 1963) oder der Kinderarzt Dr. Welty geholt. Die Hebamme wurden von den werdenden Eltern bezahlt. Falls die Amme-Liese aus Hausen nicht zur Verfügung stand, konnte zur Not die Langenseifer oder Borner Hebamme geholt werden.

 

Hausgeburten waren bis in die 50er Jahre noch üblich, danach kamen die Kinder überwiegend im Kreißsaal eines Krankenhauses zur Welt.

 

Nach der Geburt wurde der Pfarrer und das Standesamt vom Vater informiert. Der Pfarrer führte das Geburtsregister und musste den Säugling im Haus der Eltern taufen. Hierzu kam Pfarrer Wenzel, später  dann Pfarrer Knodt mit dem Glöckner Philipp Schäfer, der die Tauftasche mit Taufwasser, Taufkelch und einer Schüssel zu tragen hatte. Die relativ zeitnahe Taufe hing mit der damaligen Kindersterblichkeit zusammen. Die Taufe fand nur im engeren Familienkreis mit Taufpate oder Patin und der Hebamme statt. Das übrig gebliebene Taufwasser wurde am nächsten Tag genutzt um hiermit den Säugling zu baden. Nach der Taufe wurde die Mutter des Kindes ausgesegnet. Beim anschließenden  Kaffeetrinken wurde traditionell Streusel- oder Radonenkuchen gereicht, jahreszeitlich vielleicht auch ein mit Obst belegter Hefekuchen. Oft fand die Taufe an einem Sonntag gegen 15.00Uhr statt. Das anschließende Kaffeetrinken ging bis etwa um 18.00Uhr, da dann das Füttern der Tiere anstand.

 

Anstrengend wurde es, wenn die Taufe in einem anderen Ortsteil der Kirchengemeinde stattfand. Der Rückweg aus Fischbach mit eine Paar Glas Wein im Blut wurde dann recht mühselig...

 

Die Haustaufe wurde noch bis Ende der 50er Jahre beibehalten.

 

Kindheit

 

Der Tagesablauf eines Kindes richtete sich stark  nach dem Arbeitsalltag der Eltern unter Berücksichtigung der jahreszeitlichen Bedingung. Die Mehrzahl der Bärstadter waren Bauern. Selbst die wenigen Handwerker hatten ein wenig Vieh um die Selbstversorgung zu gewährleisten.

 

Die Säuglinge blieben anfangs bei der Mutter. Mit zunehmenden Alter wurden sie mit aufs Feld genommen oder blieben bei der Oma oder Tanten zuhause. Im Sommer begann der Tag früh. Bevor die Kühe gemolken wurden ging der Bauer schon raus aufs Feld um die Tageshitze oder die vielen Stechmücken zu umgehen. Nach seiner Rückkehr musste mit Tagesanbruch das Vieh versorgt und gemolken werden, danach gab es das erste Frühstück. Stand Feldarbeit an, so wurden die Kinder mitgenommen und mussten mit zunehmenden Alter mithelfen. So z.B. bei der Kartoffelernte oder beim Rechen auf dem Feld. Teilweise waren die Felder weit ab vom Ort, um Zeit zu sparen wurde dann das Essen mit aufs Feld genommen. Die Arbeit in der Landwirtschaft wurde also nur vom 1. und 2. Frühstück sowie dem Mittag- und Abendessen unterbrochen. An Spielen konnte also nur beim Verbleib bei der Oma oder im Winter gedacht werden. Mit der Oma wurden die Kleintiere wie Hühner z.B. gefüttert.  Dies  blieb so bis das Kind zur Einschulung oder dann ab 1944 in den Kindergarten ging.

 

 

Ü Kind bei Johanette Höhn im Hof

 

Familie Besier 1941 beim Frühstück auf dem Feld Þ

 

 

Der Kindergarten wurde erst ab etwa 1944 im Rathaus eingerichtet. Die ersten Kindergärtnerinnen waren Liesel Mernberger und Emma Schäfer. Für 2 Mark die Woche konnte der Kindergarten besucht werden. Mit dem Schulneubau in der Schulstraße zog der Kindergarten vom Rathaus in die neue Volksschule.